Wortkompositionen


 

 

Windgedicht I

 

das blatt

leis legt sich 

in den wind

 

trägt sich weit

schwebt

verbirgt sich

 

verschwindet

taucht auf

weht zwischen gräsern

 

wirbelt auf

leis legt sich 

in den wind

 

(erstveröffentlicht in der experimenta, Nr. 07/2018)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ich pflanze die Wörter

ich pflanze die wörter

säe die buchstaben

zeichen pausen

gieße die sätze

zupfe das unkraut

lasse es stehn

ich warte 

bis die schmetterlinge einziehn

die bienen wespen hummeln summen

die blumen blühen

verwelken

auferstehn erneut

einen augenblick

nur dem wort

 

(Anthologie GoldstaubGalaxie, Lorbeerverlag, 2017) 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fünfzehn Uhr

 

Fünfzehn Uhr. 
Die Zeit streut Pausen.
 
Kleeblüten, Hummeln, Wespen,
die Sonne fängt Schmetterlinge.
 
Regenwolken schlendern
über die Baumwipfel hin.
 
Schatten fleckt sich 
über die Wiese.
 
Schilf, brütende Grashaufen,
Schmeißfliegen kreisen. 

 

(erstveröffentlicht in experimenta, 05.2018)

Trilogie Teil I

 

 

Verweht die Silhouetten: 

die gekrümmte Frau

mit dem Kinderwagen

der dunkle Weg

zwischen düstrem Gestein 

das Brückengeländer

aus schwarzen Streben

den Blick stückelnd

mit dunklem Takt durchziehend. 

Immer wieder der Wind

der an der Kleidung zieht 

Nebelschwaden, die verhüllen 

sich lösen, verdichten.

 

Das Rattern der Räder

laut, die Schritte

auf dem Stein, rhythmisch

vom Wind getragen

schallend

in der leeren Landschaft. 

Kinderhände greifen Nebelschwaden 

fangen Lichtstrahlen

verharren in Stille, halten inne.

Im Dunst vertrocknete Rispen 

riesige Blüten verdorrt

verwelkte Geäste

Blätter knisternd losgerissen

 

Der Wagen schiebt sich

die Hände berühren, pflücken 

Gezweige und Blütenblätter 

ihre Schatten nur.

Die dunklen Räder quitschen 

der steinige Weg rattert

immer wieder zart, zerbrechlich 

das graue Bild

in silbrigem Weiß

friedlich Spuren folgend.

Die farbigen Blütenblätter

auf dem Weg -

verloren.

 

 

Trilogie Teil II

 

 

Die große eiserne Wippe

bemoost verharrend in urigem Grün 

das Gestänge in bunten Streifen

die Sitze rot - Kinder lachen darauf 

die Stimme erhebend - frei

 

Bunte Blätter

sie wehen im Haar 

bleiben hängen0

befreien sich 

kämpfen im Wind

 

Die Kinder springen auf

springen ab

durchdringen das Konfetti des Laubs 

lesen die Blüten auf

die gestreut auf dem Weg

 

 

Trilogie Teil III

 

 

Wildes Gezweig in kalter Landschaft 

zerbrochen, rostige Konstrukte darin 

Leitern, deren Sprossen zerfetzt 

abblätternde Farben, in Dornen 

Schwungräder eingewachsen

 

Der Kinderwagen 

ausgedient

mit gebrochenen Speichen 

zerrissen der Stoff

die Fetzen im Wind

 

Sie krabbeln sammeln

die wertlos scheinenden Teile 

bauen phantasievolle Schlösser - 

Blätter und Blüten

der Teppich darin

 

 

(erstveröffentlicht in der eXperimenta,

10/11-2018 und

12/2018 und

1/2019

in der "Trilogie der Lyrik")

 

 

 

 

eingefressen
 
röhren stangen bretter
in beton gestemmt
 
gitter rost und eisen
folien lose durch den tunnel fegen
 
drahtknoten fangen
verwildert das feld
 
in das er eingefressen
wuchernde disteln gräser dornen
 
stahlwandungen
die den wall aus erde halten
 
ausgewaschene furchen
leitern gerüste
 
die den nassen raum abstecken
beton 
 
der vor nässe glänzt
in durchtränkter luft
 
die vertikalen fallen
die horizontalen kreuzen
 
linien mauern
licht- schattenverknotet
 
(Anthologie "von Mauern und Grenzen", Sperlingverlag 2018)

 

 

 

 

 

 

Letzte Herbsttage

 

In Waldes frierendem Zwischenraum,

als des Nichts kalte Form,

in wehenden Gewändern eisger Lüfte,

fegt letztes Laub die Herbstfarbendüfte.

 

(Anthologie Herbstlichter, Literaturpodium)

 

 

 


Henriette Tomasi

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